Du hast das Festival „Magdeburger Liedersalon“ gegründet und bist die künstlerische Leiterin des Vereins „Liedkunst Mitteldeutschland“. Wie bist du auf das Thema „Lied“ gekommen?
Ich bin klassisch ausgebildete Sängerin. In meinem Musikstudium hatte ich mich intensiv mit Liedern u.a. von Franz Schubert, Robert Schumann, Johannes Brahms und Hugo Wolf beschäftigt. Was mich faszinierte: Jedes Lied war ein eigenes Universum, das für wenige Minuten andauerte. Diese Einzigartigkeit faszinierte mich. Seither hat mich das Thema nicht losgelassen. Es sind viele Komponisten aus verschiedenen Epochen einschließlich unserer Zeit dazugekommen. Die andauernde Beschäftigung mit den Kompositionen und Texten, das Eindringen in die Details haben meine Liebe verstärkt.
Du arbeitest als Konzertsängerin und Gesangspädagogin. Was hat dich bewogen Konzerte zu veranstalten?
Das Liedgut der Vergangenheit wird durch den Wandel der Ästhetik nicht mehr gepflegt. Es besteht leider die Gefahr, dass ein reicher kultureller Schatz in Vergessenheit gerät. Das haben auch andere Liebhaber des Liedes erkannt. So wurde durch das renommierte Liedzentrum Heidelberger Frühlings beantragt, das „Lied“ in die Liste des immaterielles Weltkulturerbes einzutragen zu lassen.
Auslöser für mein Handeln war ein Liederabend mit dem exzellenten Liedinterpreten Christoph Prégardien und seinem fantastischen Begleiter Daniel Heide. Der Konzertsaal war fast leer. Ein trauriges Bild. Inspiriert vom Sprichwort: „Wenn der Berg nicht zum Weisen kommt, muss der Weise zum Berg gehen.“, fasste ich einen Entschluss. Die Lieder müssten wieder in Wohnzimmern gesungen werden, also in dem Rahmen, für den sie meistens komponiert wurden. Mit dieser Idee wandte ich mich 2018 an Carsten Gerth vom Gesellschaftshaus. Er war sofort begeistert.
Wie ging es dann weiter?
Nachdem ich die Idee geäußert hatte …. bekam ich erst einmal kalte Füße. Wie sollte ich das allein stemmen? Carsten Gerth fragt aber immer wieder nach und bot Unterstützung an. Mit diesem Rückenwind begann ich die Idee umzusetzen. Im September 2020, mitten in Corona, hob ich das Festival „Magdeburger Liedersalon“ mit fünf Konzerten aus der Taufe. Der Erfolg war überwältigend. Gastgeber, Publikum und Künstler lobten einhellig das Format.
Wie ist der Wunsch entstanden dem Thema des Kunstliedes einen eigenen Verein zu widmen?
Die Idee, einen Verein zu gründen, lag von Anfang an in der Luft. Es gibt dafür ideelle und praktische Gründe. Es braucht Multiplikatoren für die Idee und helfende Hände.
Worüber hat sich das Team des Vereins gefunden und welche Verbindungen gibt es untereinander?
Die Gründungsmitglieder habe ich persönlich angesprochen. Es sind Menschen mit sehr verschiedenen Talenten und Begabungen. Die wenigsten kannten sich vorher persönlich. Es war also ein spannender Kennlernprozess unter den Bedingungen der Gründung und des Aufbaus eines Vereins. In meinen Augen ist der Prozess gelungen
Welche Visionen verfolgt der Verein und was konnte schon umgesetzt werden?
Wir haben uns in der Satzung große Ziele gesetzt. Zentral widmen wir uns der Pflege des Liedes gepaart mit einem Bildungsauftrag. Wir führen das Singen von Liedern in Wohnzimmer bzw. den Salon zurück. Die räumlich Nähe zwischen den Künstlern und den Zuhörern schafft eine besondere Intimität des Hörens. In den Wohnzimmerkonzerten musizieren die Künstler nicht nur, sondern erläutern auch, wovon sie singen. Durch die Nähe kommt man nach dem Konzert leicht ins Gespräch.
Neben den Wohnzimmerkonzerten veranstalten wir in Kooperation mit dem Gesellschaftshaus Magdeburg ein Konzertformat für Kinder im Grundschulalter. Unser Ziel ist es, auch Angebote für Jugendliche zu entwerfen. Wir suchen da noch nach Kooperationspartnern.
Nicht zuletzt wollen wir Menschen zum gemeinsamen Singen zu ermutigen. Im vergangenen Jahr eröffneten wir den 3. Magdeburger Liedersalon mit der Veranstaltung „Singend ins Wochenende“. Wir werden das weiter ausbauen.
Was möchtet ihr mit dem Verein nachhaltig und langfristig bewirken?
Jede Zeit hat ihre Lieder und deswegen klingen sie auch verschieden. Allerdings haben sich die Themen gar nicht so sehr gewandelt. Es ist egal, ob Liebe durch eine Rockballade oder durch ein Lied aus dem 15. Jahrhundert besungen wird. Wir möchten das Verbindende der Lieder herausarbeiten und die ästhetische Verschiedenheit als Spielarten ein und derselben Sache unterstreichen. So richtet sich unser Augenmerk nicht nur auf die Vergangenheit, sondern auch auf die Gegenwart und Zukunft. In Konzerten könnten dann „alte“ Lieder neben „neuen“ gesungen werden, weil es keine ästhetische Ablehnung mehr gibt.